Eine Welt des Miteinanders nicht nur für einen Tag

„Gundis Lieder – Gundis Themen“

Im Februar diesen Jahres wäre der deutsche Liedermacher Gerhard Gundermann 60 Jahre alt geworden. Der Songpoet, der nie zur Ruhe kam, war in den letzten Lebensjahren mit seiner Band „Seilschaft“ überwiegend im Osten Deutschlands unterwegs und hat hier eine große Fangemeinde. Gerademal 43jährig starb Gundermann 1998 in der Mittsommernacht an den Folgen einer Hirnblutung.

Gundi, wie er liebevoll von den Fans genannt wird, hinterließ über 300 wunderbare Songs und auch zahlreiche Liedtheaterstücke. Seine Lieder – einfach, geradlinig, politisch und voller Poesie und Nachdenklichkeit – haben nach seinem Tod auch zahlreiche Liebhaber im Westen der Republik gefunden. Hört man Gundi-Songs, fühlt man sich zu Hause, ist bei sich. Man fragt sich: Wie hat er das gemacht – er hat so viele Dinge auf den Punkt gebracht, bei denen sich der Zuhörer wiederfindet.

Text: Anna Gramm
Fotos: Wenzel Oschington

Mittlerweile gibt es unterschiedlichste Gundermann-Projekte landesweit. Zahlreiche Künstler haben Gundis Schaffen für sich entdeckt, oft ist es als fester Bestandteil aus den jeweiligen Programmen gar nicht mehr wegzudenken.
Im vergangenen Jahr haben sich neue Gundi-Fans und alte Weggefährten, unter ihnen seine Begleitband die „Seilschaft“, Konstantin Wecker und Stefan Stoppok, zusammengetan und gemeinsam eine Tribute-CD unter dem Titel „Gundis Lieder – Gundis Themen“ produziert. 14 Bands und Solo-Künstler haben auf CD1 des Doppelalbums Gundermann-Songs neu interpretiert, während auf CD2 eigene Songs der Mitwirkenden aufgenommen wurden, die thematisch zum Gundermann-Schaffen passen.

Pierre Wilhelm aus Plessa hatte die Idee zu dieser Hommage an Gundi und Jörg Zinke produzierte einen Großteil der Stücke in seinem Potsdamer Studio „Showcasepotsdam“. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass dieses Doppelalbum unverkäuflich ist. Die ersten 1000 Exemplare gingen an Bibliotheken und Bildungseinrichtungen deutschlandweit. Über eine erfolgreiche „Crowdfunding“-Kampagne wurden 5000 Euro eingesammelt, damit auch Gundi-Fans in den Genuss dieses Tribute-Albums kommen konnten.

Da nicht alle am Album beteiligten Künstler bei der Record-Release-Party dabei sein konnten, entstand die Idee für ein kleines Gundermann-Festival. Unter dem Motto „Gundis Lieder – Gundis Themen – Eine Welt des Miteinanders nicht nur für einen Tag“ präsentierten am vergangenen Sonntag etwa 150 Mitwirkende auf dem Gelände des Kulturzentrums freiLand in Potsdam Gundermann-Interpretationen und eigene Songs, die zum Schaffen von Gerhard Gundermann passen.
Auf zwei Bühnen traten neben den am Album mitwirkenden Künstlern (bis auf Konstantin Wecker, der verhindert war) auch das internationale Trio Johan Meijer, Mikhail Ivanov, Frank Viehweg, die bezaubernde Leona Heine und der Erich-Fried-Chor auf. In Pierre Wilhelm hatte das Festival einen Moderator, der mit sehr viel Feingefühl und Engagement durch den Tag führte.

Der Festivalsonntag wurde ein Tag der Vielfalt. Ruben Wittchow, der das Festival eröffnete, kam eher poppig daher, während TRICKY RIDDLE viel Groove in ihre Darbietung legten. Gundermann einmal international – diese Perspektive vermittelte das Trio Meijer, Ivanov und Viehweg. Johan Meijer versteht sich als Brückenbauer. „Wir haben oft die gleichen Münzen in der Tasche, aber die Musik der anderen Europäer kennen wir kaum“.
Er, der Gerhard Gundermann eine komplette CD auf holländisch widmete, überraschte die Zuhörer am vergangen Sonntagnachmittag mit einer italienischen Version des Gundermann-Songs „Fliegender Fisch“. Mit RUDY, einem Herzensprojekt des Plattenproduzenten, Jörg Zinke, wurde es dann wieder poppiger. Liedermacher Christian Haase, auch Frontmann der „Seilschaft“, servierte seine Songs mit einer Brise Rock’n Roll.
Eine erfrischend andere Darbietung vom Gundermann-Song „Herzblatt“ boten Beate Wein und Annett Lipske vom Duo HAND in HAND. Wunderbar gefühlvoll kamen die Steinlandpiraten zusammen mit „unbekannt verzogen“ daher, bevor Leona Heine das Publikum mit ihrer Darbietung vom „Fliegenden Fisch“ völlig verzauberte.
Auch die Mitglieder der Band „Krogmann“, die vor der Plattenproduktion, keinerlei Kenntnis von Gerhard Gundermann hatten, bewiesen, wie gute junge Musik und Gerhard Gundermann zusammenpassen. Als das Duo Carmen Ortlet und Hugo Dietrich die Bühne betraten, war das ein ganz besonderer Moment. Dietrich hatte bereits 1974 mit Gundermann im „Singeklub Hoyerswerda“, der späteren „Brigade Feuerstein“ zusammengearbeitet, während Carmen Ortlet zu dieser Zeit in der Gruppe „Sturmvögel“ auch in Schwerin schon Gundi-Lieder sang.

Mit Tino Eisbrenner und seiner Band „Latino Conexión“ gab es einen weiteren Festival-Höhepunkt. Eisbrenner, der bereits seit den 1980er-Jahren fester Bestandteil der deutschen Musikszene ist, wurde bekannt als Frontmann der Gruppe „Jessica“. Mittlerweile hat er sich hin zu einem Sänger mit anspruchsvollen, gesellschaftlich relevanten Texten entwickelt.

Auch politisch engagiert sich Tino Eisbrenner sehr stark. So für die FRIEDENSGESELLSCHAFT MUSIK STATT KRIEG e. V., über die er am Sonntagnachmittag informierte. Neben seiner sehr gelungenen Interpretation von Gundis „So wird es Tag“ rüttelte er die Zuhörer mit seinem sehr engagierten Song „Nackt“ auf. Auch Phillip Omlor und Hannes Kreuziger nahmen bei ihren Konzerten das Publikum mit sehr viel Feingefühl für sich ein.

Beim Auftritt der „Seilschaft“ kennt die Begeisterung der Festivalbesucher keine Grenzen. Seit 2008 tritt die Band zur Freude der Fans wieder gemeinsam auf. Mit dem Sänger Christian Haase ist frischer Wind in die Band gekommen. Haase bringt keinen Abklatsch der alten Songs und man spürt beim Zuhören diesen ganz besonderen „Draht“ zu Gundermann.

Stefan Stoppok setzt mit seiner folkig angehauchten Version von „Keine Zeit mehr“ besondere Akzente. Gundi hätte das sicherlich sehr gut gefallen. Gundi, der Querdenker, hätte wahrscheinlich beim gesamten Stoppok-Konzert seine helle Freude gehabt. Diese scharfe Abgrenzung vom Mainstream, dieser feine, bissige Humor…

Den Schlusspunkt des Abends setzten die Mitglieder des Berliner Erich-Fried-Chores, die bewiesen, dass Gundi-Songs auch als Chormusik gut klingen können.

Neben der Musik wurden im Tagesverlauf mehrere Filme über Gundermann gezeigt und auch die Doku des amerikanischen Filmemachers Matt Sweetwood über die Arbeiten am Tribute-Album für Gundi. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass die ersten 500 Festivalbesucher das unverkäufliche Tribute-Album für Gundi mit nach Hause nehmen durften.
Dieses kleine, feine, ehrliche Festival war von ganz besonderer Art. Das Engagement aller Beteiligten beeindruckte zutiefst. Hier haben sich Menschen zusammengefunden, die sich für Solidarität, bürgerliches Engagement, gegenseitigen Austausch einsetzen – nicht nur für einen Tag.

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